Die Funktion des Muskels besteht in erster Linie im Lippenschluss und im Spitzen der Lippen (wie beim Kussmund). Eymer (1971, S. 2) gibt die Fähigkeiten der Lippen „als Tast-, Druck- oder Greiforgan” an. Für den „schmalen Mund” ist die Pars marginalis zuständig, für das Bilden des sogenannten „Rüsselmundes” die Pars labialis (Thiele 1 1992, S. 15). In Zusammenarbeit, quasi als „Aktionsgemeinschaft” mit den anderen mimischen Muskeln, ist er an der Artikulation beteiligt (Thiele 1 1992 S. 14). „Es wäre [jedoch] eine grobe Vereinfachung, zu behaupten, daß alle Artikulationsprobleme mit gestörter Gesichtsmuskelbalance in Zusammenhang stehen” (Garliner 1989, S. 141). Die erste Artikulationszone kann jedoch stark betroffen sein, wenn der Musculus orbicularis oris zu schwach, aber auch zu stark sein sollte. In der ersten Artikulationszone werden die für die deutsche Sprache wichtigen Laute „m“, „b“, „p“, „f“ und „w“ gebildet, außerdem gibt es für die Vokalphonation Unterstützung durch die Lippenbewegungen. Lippenrundung ist bei den Lauten „u“, „ü“, „o“, „ö“, „au“, „eu“ erforderlich und offene Lippen beim Vokal „a“.
Diese heute so logische Erklärung war nicht immer bekannt. Die Zusammenhänge zwischen Lippen, Zunge, Schlucken, Artikulation u.s.w. sind Forschungsergebnisse des letzten Jahrhunderts. Gängige Lehrmeinung ist, dass die Lippen nicht nur wichtig für die Nahrungsaufnahme, das Schlucken und das Sprechen sind, sondern, dass ihre wichtigste Aufgabe darin besteht, „die Zähne in ihrer Stellung zu halten. Dabei dienen die Lippenmuskeln als Stützmuskeln für die Zähne” (Garliner 1980, S. 12f).
Dieser Text ist Teil meiner Masterarbeit am Institut für Musikwissenschaft an der Universität Wien