Lippenübungen – ein Einstieg
Eine Störung im Bereich der Lippen hätte zur Folge, dass z.B. die Lippen in Ruhe nicht geschlossen werden könnten. Bei starkem Vorstehen des Oberkiefers (Protrusion oder Distalbiss genannt) könnte es sogar soweit kommen, dass die oberen Schneidezähne auf die Unterlippe beißen. Bei häufig offenstehenden Lippen kommt es meist zu einer Verkürzung der Oberlippe; die Unterlippe kippt nach außen und erscheint „wulstig, verdickt und gerötet” (Kittel 1990, S. 109). Durch Austrocknung kann es zu häufigem Lippenabschlecken kommen, es können Risse an den Lippen auftreten oder es kann ständig Speichel in den Mundecken gesehen werden. Lippen, die in Ruhe nicht ständig geschlossen gehalten werden können, können auch beim Schluckvorgang nicht mehr ihre Aufgabe erfüllen. Offene Lippen beim Schlucken können die Zunge sichtbar werden lassen; wenn gemeinsam mit der Lippenschwäche eine Zungenschwäche auftritt, kommt es vor, dass die Lippen während des Schluckvorgangs zu stark aneinander gepresst werden.
Um bleibenden Störungen bei den Musikerinnen entgegen zu wirken, ist der Beginn der Einheit dem Lippenschluss gewidmet. „Ein korrekter Mundschluss liegt vor, wenn Ober- und Unterlippe locker aufeinander liegen, ähnlich wie beim Summen des Lautes ,M’” (Engel 2001, S. 45). Anita Kittel (2001, S. 78) gibt an, dass Zungen- und Lippenübungen parallel verlaufen sollen, dennoch ist es angebracht die Lippenübungen in einer Einheit zu erklären und die Zungenübungen in der nachfolgenden, um wirklich einen Schwerpunkt setzen zu können.
Die erste Übung wird bei Engel (2001, S. 46, in Anlehnung an Kittel 2001, S. 79f) mit dem Runden der Lippen angegeben und der Gegenbewegung des Breitziehens, dieses jedoch mit zu sehenden Schneidezähnen, also ohne Mundschluss. Diese beiden Bewegungen werden abwechselnd ausgeführt, in einem sehr langsamen Tempo. Wichtig ist, dass die Zahnreihen dabei geschlossen sind und es zu keinem „Kopfbiss” (Kittel 2001, S. 80) kommt oder zu einer massiven Anspannung der Halsmuskel. Von einem Kopfbiss wird dann gesprochen, wenn „die oberen und unteren Schneidezähne aufeinander stehen” (Kittel 2001, S. 80), und nicht die oberen Schneidezähne über die unteren Schneidezähnen rutschen.
Die nächste Übung schließt sehr gut an diese Übung an, wenn nun die geschlossenen Lippen zu einem sogenannten „Bussimund“ nach vorne gestülpt werden und danach ohne sie zu öffnen in die Breite gezogen werden. Die Zahnreihen sind dabei wieder geschlossen. Jede Übung wird immer mehrmals wiederholt.
Die Durchführung der nächsten Übung führt bei Patientinnen in der Praxis rasch zu einer Ermüdung der Lippenmuskulatur. Es sollen die runden offenen Lippen zu runden geschlossenen Lippen geformt werden – verständlicher ist hierbei die Anweisung für Kinder: Den sogenannten „Bussimund“ (geschlossene runde Lippen) zu öffnen, sodass die Lippen zwar geöffnet, aber dennoch rund bleiben; danach erfolgt wieder das Schließen. Engel (2001, S. 47) bezeichnen diese Übung als „Fischmund”.